Die Jugend gestaltet die Zukunft

Die Sommerpause steht kurz vor der Tür und wieder einmal wartet mit der Öffnung des Transferfensters eine Phase des Umbruchs auf die Gladbacher Borussia. Mo Dahoud, Lenker und Denker im Mittelfeld, wird zum Namensvetter nach Dortmund wechseln – Andreas Christensen zieht es nach zweijähriger Leihe zurück auf die Insel zum FC Chelsea.

Komplett aufgegeben hat Eberl die Hoffnung noch nicht, dass es mit Christensen doch noch eine gemeinsame Zukunft geben könnte. Im Doppelpass bekräftigte Max Eberl vor einigen Wochen, dass es noch eine kleine Chance gebe, den Dänen vorübergehend am Niederrhein zu halten, vorerst erwarte der FC Chelsea das Innenverteidigertalent aber zum Trainingsauftakt.  „Was danach passiert, wird man abwarten müssen. So lange kann ich aber wahrscheinlich nicht warten. Trotzdem lasse ich mir die Tür Andreas Christensen noch offen, weil er auch gerne bleiben wollen würde«. Christensen ist das treibende Glied und in seiner Zeit zu einer beständigen Größe in der Gladbacher Innenverteidiger geworden, sein Verlust würde schmerzen, besonders wass den Spielaufbau aus der Abwehr heraus angeht.

Doch die Eberlsche Arbeitsweise dürfte mittlerweile keine Unbekannte mehr sein. Max Eberl ist kein Manager für überhastete, unüberlegte Transfers. In vielen Fällen kommen Spieler in den Rund des Borussia-Parks, die der Verein seit längerer Zeit beobachtet, meist am Anfang ihrer Entwicklung, um in Gladbach den nächsten Schritt zu gehen.  Sehr gut vorstellbar, dass der 21 Jahre alte Christensen von einem Spieler solcher Attribute abgelöst wird.

Elvedi und Docouré stehen in den Startlöchern 

Zwei Spieler, die in die Fußstapfen des dänischen Verteidigers treten könnten, stehen bereits im Kader: Zum einen Nico Elvedi (20), der sich schneller als von vielen gedacht, zu einem wichtigen Teil der Mannschaft entwickelte und neben der Position des Rechtsverteidigers auch in der Innenverteidigung zuhause ist. Eine große Stärke des jungen Schweizers ist sein Offensivdrang, den er als Rechtsverteidiger auslebt, und auch über eine gute Spielübersicht verfügt Elvedi. Ein weitere große Stärke ist seine Lernfähigkeit, in seiner Entwicklung befindet sich der 20-Jährige noch lange nicht am Ende – weitere Schritte sind ihm zuzutrauen. Unklar bleibt aber, ob Trainer Dieter Hecking Elvedi in Zukunft in der Innenverteidigung sieht oder weiterhin als Alternative zu Tony Jantschke auf der rechten Verteidigungsseite.

Mit großen Erwartungen und Lorbeeren kam auch ein weiteres Talent nach Gladbach: Mamadu Docouré (18) , dessen Zeit in Deutschland bisher allerdings von Verletzungen geprägt ist. Der junge Franzose mit senegalesischen Wurzeln konnte sein Talent bisher noch nicht unter Beweis stellen und doch rechnet man mit dem Verteidiger aus dem Nachwuchs von Paris St. Germain in Zukunft. Dem Linksfuß wird ein starkes Aufbauspiel zugesagt, eine Eigenschaft, die er mit Andreas Christensen gemein hätte. Zwei Muskelbündelrisse setzten das 18-jährige Abwehrtalent fast ein ganzes Jahr außer Gefecht, nun begann Docouré in dieser Woche mit individuellem Training. Spannend wird es zu sehen sein, wenn der Franzose über längere Zeit verletzungsfrei bleibt und eine erfolgreiche Vorbereitung absolvieren kann. Dann kann Docouré womöglich in der nächsten Saison bereits zu einer ernsthaften Alternative in der Innenverteidigung werden.

Bénes der neue Dahoud? 

Mit dem Abgang Dahouds entklafft eine weitere Lücke in der Fohlenelf. Der zentrale Mittelfeldmotor wechselt zum Ligakonkurrenten nach Dortmund. Ein Spieler, der im Endspurt der Saison andeutet die Rolle von Dahoud einnehmen zu können ist der junge Slowake Laszlo Bénes , dem Trainer Dieter Hechking durchaus eine große Zukunft bei der Borussia voraussagt. „Seine Entwicklung geht absolut in die richtige Richtung. Laszlo hat die Begeisterung, die man braucht. Ihn kann man nachts um drei Uhr wecken, er will immer Fußball spielen. Ich bin zuversichtlich, dass wir Dahouds Nachfolger vielleicht schon in den eigenen Reihen haben.“, äußerte Hecking kürzlicher auf einer Pressekonferenz. Und tatsächlich agiert der 19 Jahre alte Mitteldfeldakteur in seinen ersten Einsätzen erfrischend und auffällig selbstbewusst – auffallend auch, dass er auf dem Platz stehend bereitst sämtliche Standartsituationen und Ecken ausübt, was seine Anerkennung im Kader hervorhebt.

Auch wenn die Euphorie um die Personalie Bénes nachvollziehbar und gerechtfertig ist, muss man dem 19-Jährigen die Zeit geben, die er benötigt und es wäre fatal, die Erwartungen zu hoch zu hängen. Vor allem in der Defensivarbeit muss der slowakische U-21 Nationalspieler noch zulegen – ähnlich wie auch ein gewisser Dahoud in seiner Anfangsphase bei der Borussia. Fakt ist, dass Bénes durch den Abgang von Mo Dahoud weiter in den Fokus des Trainers rücken wird, abzuwarten bleibt, wie schnell dieser zu einer festen Größe in der Gladbacher Mannschaft werden kann.

Zakira, Grifo, Dolberg auf dem Zettel 

Derweil sind auch in der Transferplanung die Gedankenspiele längst fortgeschritten und verschiedene Namen kursieren um den Borussia-Park. Auffällig: auch hier scheint der Fokus von Sportdirektor Max Eberl auf jungen, talentierten Spielern zu liegen. Namen wie Denis Zakira (20), als eines der größten Schweizer Talente geltend, Vincenzo Grifo (24) vom SC Freiburg, Mickael Cuisance (17) oder kürzlich auch der des Stürmertalents von Ajax Amsterdam, Kasper Dolberg (19) sprechen eine deutliche Sprache und zeigen den Weg der Borussia: auch in Zukunft steht die Jugend im Fokus.

Im Endspurt warten die Kellerkinder

Knapper ging es in der Bundesliga wohl selten zu in den letzten Jahren. Klammert man zumindest den ersten und letzten Tabellenplatz aus. Der FC Bayern hat vier Spieltage vor Schluss acht Punkte Vorsprung auf den Tabellenzweiten aus Leipzig. Ja die Bayern sind (mal wieder) Meister, was natürlich wieder Stimmen nach der Tristesse der Liga aufkommen lassen. Und ja, dem SV Darmstadt hilft mit 11 Punkten Rückstand auf den Relegationsplatz kurz vor Saisonende nur noch ein Wunder.

Klammert man diese zwei Extreme allerdings aus, so geht es für alle anderen Vereine der Liga um so einiges. Auch für die Gladbacher. Nach einer verkorksten Hinrunde, die mit 17 Punkten nach 17 Spielen auf Platz 14 endete, sind vier Spiele vor der Sommerpause alle Chancen erhalten, doch noch ins internationale Geschäft einzuziehen. Fünf Punkte ist der aktuelle 6., der SC Freiburg entfernt. Gewinnt Borussia Dortmund das Pokalfinale gegen die Frankfurter Eintracht, dann wird mit Platz 7 ein weiterer Platz für die Europaleague-Qualifikation frei.

13, 14, 16, 18

Ein Blick auf das Restprogramm der Mönchengladbacher Borussia zeigt, das sich die vier verbleibenden Saisongegner allesamt im unteren Tabellenbereich tummeln. Mit Mainz 05 wartet am Samstag ein schwieriges Auswärtsspiel auf die Borussia, die wohl noch das bittere Aus im DFB Pokal-Halbfinale in den Beinen haben dürfte, in dem die Entscheidung erst im achten Schuss des Elfmeterschießens fiel. Sechs Punkte stehen die Mainzer hinter dem Zehntplatzierten aus Gladbach. Und wie eng die Liga in dieser Saison ist, verdeutlichen diese sechs Punkte: Während die Borussia noch die Hoffnung leben darf, in der kommenden Saison international zu spielen, stecken die Mainzer mitten im Abstiegskampf – mit derzeit einem Punkt Vorsprung auf den Relegationsplatz. Dass die Mainzer alle Attribute des Abstiegskampf heranziehen werden, sollte außer Frage stehen. Ein technisches Fußballfest dürfte nicht zu erwarten sein – betrachtet man neben dem Mainzer Abstiegskampf auch die Gladbacher Personalnot mit neun fehlenden Spielern.

Ein Sieg in Mainz würde die Fohlenelf im Rennen um den so begehrten Europaleague-Platz halten, auf den neben der Borussia gefühlt noch die halbe Liga schielt. Die Konkurrenz ist mit aufstrebenden Teams wie dem SC Freiburg, dem Team der Stunde aus Bremen, aber auch dem Erzrivalen aus Köln, Schalke und der Frankfurter Eintracht groß.

Auch in den weiteren Spielen warten mit Augsburg, Wolfsburg und Darmstadt Mannschaften, die noch tief im Abstiegskampf stecken – mit den Hessen am letzten Spieltag eine Mannschaft, die bereits (wenn auch noch nicht rechnerisch) abgestiegen ist. Was positiv stimmt, sind die zwei verbleibenden Heimspiele gegen Augsburg und besagte Darmstädter. Scheinbar einfache Pflichtsiege, die aber genau deshalb Brisanz beten und sich oft als schwierige Aufgabe entpuppen. Mit Wolfsburg wartet ein Auswärtsspiel, bei dem die Borussia auf dem Papier die Favoritenrolle einnimmt. Doch auch diese Aufgabe ist keine leichte, so sind die Kicker aus der Autostadt das wohl spielstärkste Team aus dem unteren Tabellendrittel.

Kampf und Wille gefordert 

Klar ist, dass gegen Teams, die dem Abstiegsgespenst noch nicht entkommen sind, vor allem zwei Tugenden gefordert sind: Kampf und Wille. Spielerische Leckerbissen sollten nicht erwartet werden, vielmehr muss die Mannschaft den Kampf annehmen und den Willen zeigen, nach dem bitteren Aus im DFB Pokal-Halbfinale doch noch zu einem versöhnlichen Saisonende zu kommen. Dass die Fohlenelf diesen Willen besitzt, hat sie in dieser Saison schon mehrmals gezeigt und sich nach einer schwachen Hinrunde und einer Saison mit unzähligen Verletzungssorgen doch noch in eine nicht aussichtslose Lage gebracht. Natürlich schmerzen diese auch im Endspurt – spürbar ist das Fehlen eines Raffaels, Hazards oder Kramers. Und so sind im Endspurt vor allem Spieler wie Stindl, Dahoud oder auch Jonas Hofmann gefragt, die in solchen Spielen den Unterschied ausmachen können.

Sicher wäre auch ein Platz 9 oder 10  am Ende dieser turbulenten Saison keine Katastrophe. Das Eberlsche Ziel der Einstelligkeit wäre trotz Verletzungssorgen und einer schwierigen Hinrunde erreicht – und dennoch hätte es die Mannschaft verdient, erneut vor internationaler Kulisse spielen zu können.

Traum und Leid der Borussia

Höhen und Tiefen gehören als Fan von Borussia Mönchengladbach zum ganz normalen Dasein. Abstieg, Relegation oder Championsleague: Rund um den Borussia-Park ist man mit allen Gefühlen, die das Leben als Fußballfan so hergibt, vertraut. Und eins gehört zur DNA des Gladbach-Fans außerdem dazu: Enttäuschung.
Sei es das kürzliche, extrem bittere Ausscheiden nach 2:0 Führung im Rückspiel gegen den FC Schalke inklusive Platzfehler, gute Auftritte in der Championsleague, in welchem die Mannschaft sich am Ende nicht belohnte oder jüngst das Aus im Elfmeterschießen des DFB-Pokal Halbfinals gegen Eintracht Frankfurt. Große Träume werden in Mönchengladbach in der jüngsten Vergangenheit oftmals mit bitterer Enttäuschung heimgesucht. Das soll nicht heißen, dass es nur Enttäuschungen gab. Mitnichten. Aus einer Mannschaft, die quasi alljährlich um den Klassenerhalt bangte und Abstiege hinnehmen musste, formten Max Eberl, Lucien Favre & Co einen Championsleague-Teilnehmer, der mittlerweile regelmäßig in der oberen Tabellenhälfte zu finden ist.

Und dennoch ist das Aus im Elfmeterschießen des DFB-Pokal Halbfinals symptomatisch für den Verein. Dem Ziel ‚Berlin‘ so nah und am Ende doch wieder so fern.  In diese Kategorie reihen sich auch das Ausscheiden im Viertelfinale gegen Arminia Bielefeld vor zwei Jahren oder das gegen die Münchner im Halbfinale 2012 ein.
Dass es gegen die Frankfurter am Ende ausgerechnet auch noch der Ex-Gladbacher  Branimir Hrgota ist, der den entscheidenden Elfmeter verwandelt und die Eintracht somit ins Pokalfinale befödert, schließt den Ironiekreis des Schicksals.

Ein Team mit Zukunft 

So bitter das Aus auch ist und so groß die Leere, die sie vielen Köpfen Gladbacher Fans nun beschert: Bange sollte es mit Blick auf die Borussia nicht werden. Dem fortziehenden Mo Dahoud folgt ein junger Slowake, Laszlo Bénes, der schon in seinen ersten Einsätzen zeigte, welch großes Potential Max Eberl (zum wiederholten Mal) mit dem Transfer des 19-Jährigen an den Niederrhein geholt hat. Auch ein Jonas Hofmann findet unter Dieter Hecking  zu sich und wird von Woche zu Woche besser. Weiterhin stehen junge Spieler wie Elvedi, Sow oder der derzeit noch von Verletzungen am Fließband heimgesuchte Docouré im Kader, denen die Zukunft im Borussia-Park gehören könnte. Und dann gibt es da bekanntlich noch Max Eberl, der in den süßesten Träumen eines Uli Hoeneß bereits im Herbst diesen Jahres mit Weißwurst auf der Tribüne der Allianz-Arena säße und auch in Zukunft schwerwiegende Abgänge wird kompensieren müssen und dem man mehr als jedem anderen zutraut, dies auch weiterhin zu meistern. Nicht zuletzt gibt es da auch einen Dieter Hecking – der in Wolfsburg unter Beweis stellte, dass er ein Team formen und Erfolge feiern kann und Max Eberl um einen großen Traum voraus ist – „etwas Blechernes“, wie es Eberl gerne umschreibt, in den Händen gehalten zu haben.

Der aufsteigende Weg der Borussia, nicht nur der des Sportdirektors, ist noch nicht am Ende. Und auch wenn das Gladbacher Fanherz nach dem Halbfinal-Aus eine weitere Enttäuschung ertragen muss – Gründe für allzu lange Tristesse gibt es in Gladbach nicht. Vielmehr gilt es im Endspurt einer turbulenten Saison den Kopf oben zu halten um am Ende womöglich doch noch einen großen Erfolg feiern zu können: eine erneute Teilnahme am internationalen Geschäft.